Mittagstisch aus dem Sängergrab

Das Grab mit der Bezeichnung Nr. 58 aus Trossingen, das wegen der berühmten Leier (siehe den Beitrag ‚Leier von Trossingen‘) auch als das „Sängergrab“ bezeichnet wird, darf, aufgrund seines reichhaltigen Inventars, einem Mann aus der regionalen Oberschicht zugewiesen werden.



Zeichnerische Übersicht über das Inventar des „Sängergrabes" aus Tossingen. Gut erkennbar sind Schild, Bett, Rückenlehne des zerlegten Stuhls sowie das Tischchen ganz links, von dem die Unterseite mit zwei der drei Tischbeine erkennbar ist.

Bild: „Mit Leier und Schwert, das frühmittelalterliche Grab von Trossingen“, Barbara Theune-Grosskopf, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Likias Verlag.

Nebst weiteren Kostbarkeiten barg das Grab, wie erwähnt, dieses überaus gut erhaltene kleine Speisetischchen. Natürlich ist diese Bezeichnung lediglich eine Annahme, die sich auf die Aussage des Tacitus stütz, wonach die Germanen jeweils an einem eigen Tischchen gegessen hätten.

Das Tischblatt ist aus einem Stück Ahorn gedrechselt und misst 55 cm im Durchmesser. Ober- und Unterseite des Tischchens sind durch Drehreifen gegliedert. Die schlanken Beine wurden aus der elastischen und zähen Esche gedrechselt. Dreibeinige Tische haben den Vorteil, dass sie auch auf unebenem Boden gerade stehen und nicht wackeln.

Bild: „Mit Leier und Schwert, das frühmittelalterliche Grab von Trossingen“, Barbara Theune-Grosskopf, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Likias Verlag.

 

 

Nachbau des kleinen Speisetisches
 



Diese zeichnerische Widergabe des Tischblattes war der einzige Hinweis auf die Ausgestaltung der Unterseite.
Bild: „Mit Leier und Schwert, das frühmittelalterliche Grab von Trossingen“, Barbara Theune-Grosskopf, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Likias Verlag..

 

 

 

 

Weiter standen mir die Abbildungen einer musealen Rekonstruktion, sowie des Originals zur Verfügung.
 
Wie beim Original sollte auch mein Tischchen aus Ahorn bestehen. Nach diesen  Vorgaben machte ich mich ans Werk.

Bilder: “Alamannen zwischen Schwarzwald und Donau“, Dorothee Ade, Bernhard Rüth und Andreas Zekorn. Konrad Theiss Verlag.

Trotz eifriger Suche bei verschiedenen Holzhändlern, fand ich kein Ahornbrett, das letztlich ein Tischblatt von 55 cm Durchmesser ergeben hätte. Solche alten Bäume gäbe es nicht mehr im Handel und wenn, dann würden sie gleich unter der Hand verkauft. So die allgemeine Auskunft.



Notgedrungen musste ich ein handelsübliches Ahornbrett erwerben und es zusammensetzten und verleimen. Diese Arbeit übernahm mein Sohn, ein gelernter Schreiner. Wenn man das Brett ‚spiegelt‘, ist dem Stück kaum anzusehen, dass es mittig zusammengesetzt ist. Das dunklere Kernholz ergibt dabei einen reizenden Kontrast.



Da ich keine Drehbank besitze, an der sich eine Scheibe von dieser Grösse bearbeiten lässt, musste ich mir notgedrungen einen zweiten Kompromiss einfallen lassen. Mit der Oberfräse zog ich erst einmal die Rillen auf Ober- und Unterseite, welche die Drehreifen begrenzen. Dabei wählte ich einen keilförmigen Fräskopf, um das spätere Rundschleifen der Drehreifen zu vereinfachen.



Danach habe ich mit einem zylindrischen Fräskopf die Zwischenräume herausgefräst. Damit am Schluss auch das Zentrum in der Mitte ausgefräst werden kann, müssen der Fräsplatte Holzleisten in der Höhe der Wülste unterlegt werden.

Anschliessend folgten das zeitraubende und schweisstreibende Planschleifen der Zwischenräume und das Rundschleifen der Drehreifen.



Fertig geschliffenes und anschliessend geöltes Tischblatt. Öl ist nicht nur ein Schutz, sondern lässt die Holzmaserung wunderschön zur Geltung kommen.



Fertige und geölte Unterseite des Tisches mit Rillenverzierung sowie Bohrungen für die Tischbeine.

Ich werde ihm Beine machen
 

Wie beim Original sollen die schlanken Tischbeine aus Esche gefertigt sein. Die vierkantigen Eschenstäbe wurden zunächst achtkantig gehobelt, was das Drehen zu Rundstäben vereinfacht.





Rohling und fertig gedrechselte Tischbeine mit Rillenzier. Letztere ist auf der Abbildung nicht deutlich erkennbar, weshalb ich sie nach eigenem Ermessen angebracht habe.

Das Tischchen weist eine Höhe zwischen 46 und 48 cm auf. Bei der Fertigung der Beine ist die Neigung (schräg eingezapfte Tischbeine) zu berücksichtigen. Ich rate, die Beine etwa 2 cm länger zu bemessen als es die gewünschte endgültige Höhe des fertigen Tischchens ist. Meines misst exakt 46 cm bei einer Beinlänge von 48 cm.



Speisetischchen mit Nüssen und Früchten sowie einem kostbaren Rüsselbecher.



„Schöner wohnen in Alemannien“, könnte der Titel zu diesem Bild heissen. Das Ensemble mit Hocker und Stuhl aus dem Gräberfeld von Oberflacht sowie dem Tischchen aus dem „Sängergrab“ in Trossingen, zeigt die mögliche Einrichtung eines vornehmen Alemannenhauses. Der Kerzenleuchter ist ebenfalls jenem aus Grab 58 nachempfunden.


 



Nachbau von Peter Mäder
Fotos, soweit nicht anders vermerkt, von Peter Mäder
 
Literatur

„Mit Leier und Schwert, das frühmittelalterliche Grab von Trossingen“, Barbara Theune-Grosskopf, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Likias Verlag. ISBN 978-3-8912181-2-1.

“Alamannen zwischen Schwarzwald und Donau“, Dorothee Ade, Bernhard Rüth und Andreas Zekorn. Konrad Theiss Verlag. ISBN 978-3-8062-2157-2
 
Dank

Mein Dank gilt meinem Sohn Andreas Mäder für seine Unterstützung