Götterwelt der Alemannen

Schriftliche Quellen zur Götterwelt der südgermanischen Alemannen gibt es so gut wie nicht. Alles was wir wissen, stammt aus Quellen vor oder nach der Zeit der Alamannia. Zweifellos gehörten sie aber der germanischen Glaubenswelt an. Hinweise auf ihren Glauben finden wir in Sagen, Legenden, Märchen und Fabelwesen aus unserer Region, aber auch in unserem Wortschatz und Alltag.
Vermutlich kann vieles aus der Götterwelt der Nordgermanen und Wikinger abgeleitet werden. Aber Vorsicht! Zeitlich und räumlich liegt das zu weit entfernt, um es Eins zu Eins übertragen zu können. Denn, auch eine Mythologie entwickelt sich.

Und die Edda wurde von einem Mönch, Jahre nach dem Niedergang der germanischen Mythologie, geschrieben, und ist somit sicher christlich gefärbt.

Die Macht der Götter und Magie, waren für die Alemannen aber Realität. In der Lex Alamannorum (Gesetzessammlung) war schädigende Zauberei strafbar!

„Guten Zauber“ finden wir in Form von Zaubersprüchen auf Brakteaten oder Spangen. Auch Amulette sind ein deutliches Indiz dafür (Bärenkrallen, Donarskeulen (Thorshammer), Muscheln und Perlen...).

Bekannt sind auch die Merseburger Zaubersprüche:

Phol ende Uuôdan uuorun zi holza.
Dû uuart demo Balderes uolon sîn uuoz birenkit.
thû biguol en Sinthgunt, Sunna era suister,
thû biguol en Frîia, Uolla era suister;
thû biguol en Uuôdan sô hê uuola conda:
sôse bênrenkî, sôse bluotrenkî,
sôse lidirenkî:
bên zi bêna, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sôse gelimida sin!


Die Übersetzung:

Phol und Wodan ritten ins Holz.
Da ward dem Fohlen Balders der Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt (und) Sunna, ihre Schwester.
Da besprach ihn Frija (und) Volla, ihre Schwester.
Da besprach ihn Wodan, wie (nur) er es verstand:

So Knochenrenke wie Blutrenke
Wie Gliedrenke:
Bein zu Bein, Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern, als ob geleimt sie seien! (oder: dass sie gelenkig sind!)

Bild: Donar (nord. Tor) mit seinem von Ziegen gezo-
genen Wagen.Max Koch, Illustration von 1920


Donar (Gewittergott, Beschützer der Menschen, nordisch Thor)

Donar ist der Gewitter - Gott. Mit seiner Keule wehrt er die meist feindlich gesinnten Riesen ab und beschützt somit die Welt der Mensch. Er bringt den Regen, ohne den der fruchtbarste Acker nichts hergibt. Bei den Bauern, und somit den Grossteil der Alemannen, war er der beliebteste Gott.

Ziu (Kriegs/Himmelsgott und Schirmherr des Thing, Nordisch Tyr)

Im Gegensatz zum düsteren, von Wölfen und Raben begleiteten Wuodan ist Zîu der Gott des hellen Taghimmels. Er ist ein heroischer, ehrenhafter und strenger Gott und wurde in heidnischen Zeiten bei Zweikämpfen und Eiden angerufen. Er galt als Mars Thingsus, als Patron des Things, der heidnischen Landsgemeinde und Gerichts, an der unter freiem Himmel Recht gesprochen und Anführer gewählt wurden.

Wuodan (Wodan, Wotan, nordisch Odin)

Wuodan ist vermutlich heutzutage der bekannteste germanische Gott und zugleich der wichtigste alemannische Gott. Er ist ein mächtiger Heiler und Zauberer und haucht den Dichtern die Inspiration für ihre heiligen Lieder ein, ist aber auch der gefürchtete Führer des Totenheers, dem er auf seinem achtbeinigen Hengst voran reitet und sich dem Rausch und dem wüten hergibt.

Er ist der Gott der Götter, der Gott der wütet und rast aber zugleich immerzu nach Wissen strebt und dafür sogar ein Auge hergibt.

Von den Alemannen wurde er mit Bieropfern verehrt. Seine Heilige Wut beflügelte die Krieger in der Schlacht und während der Mittwinterfeste, wenn sie mit russgeschwärzten Gesichtern und in Tierfellen gehüllt durch die Winternächte stürmten und die mystische Einheit mit dem Heer der erschlagenen Ahnen feierten (Wüetisheer, Guenisheer). Ein Hauch von diesem heiligen Furor liegt noch heute über den archaischen Mittwinterfesten in den Alpen (Silvesterchläuse, Lötschentaler Masken Tschäggättä, Perchten).


Bild: Wotan mit seinen beiden Raben und Wölfen. Statue in Hannover. Aus Wikipedia.

Frija ( Fruchtbarkeitsgöttin, Gemahlin von Wuodan, nordisch Frigg)

Die höchste alemannische Göttin ist Frîja. Sie ist die Gattin Wuodans und die Beschützerin der Ehe. Ihr Sohn Balder, um dessen tragischen Tod sich verschiedene nordische Mythen ranken, war wahrscheinlich auch den Alemannen bekannt (die Inschrift auf der Nordendorfer Runenfibel deutet darauf hin).

Freya (Liebesgöttin)

Freya, auch Freia oder Freyja (altnordisch „Herrin“) ist der Name der nordischen Wanengöttin der Liebe und der Ehe.[1] Sie gilt als zweite Göttin des nordischen Pantheons nach Frigg, mit der sie in neuzeitlichen Rezeptionen oft gleichgesetzt oder verwechselt wird.[1] Sie ähnelt der Venus des römischen Götterhimmels.

Da es keine südgermanischen (z. B. deutschen oder englischen) Überlieferungen zu Freya gibt und die Südgermanen den Tag der Venus (Freitag) noch mit Frija/Frigg verbanden, wird angenommen, dass Freya eine wikingerzeitliche Loslösung der Aspekte Liebe, Liebesmagie und Promiskuität der Frigg bildet.

Bild: Freyja, mit dem von Katzen gezogenen Wagen, aus „Die nordischen Göttersagen“, von Rudolf Friedrich. 1865.


Vielgestaltiger Götterhimmel und Christianisierung

Es ist davon auszugehen, dass viele Alemannen daneben auch Götter, die sie in römischen Kriegsdiensten oder über ihre gallorömischen Nachbarn kennen gelernt hatten verehrten - ihre Spuren haben sich zumeist verloren. Anstelle des vielgestaltigen Götterhimmels der Alemannen traten nach der Christianisierung die katholischen Heiligen, in deren Legenden und Kulten viele heidnische Vorstellungen in einem neuen Gewand wiederauflebten.

Gut möglich, das Petrus ursprünglich Donar war. Denn beide sind für’s Wetter verantwortlich...

Pluoz und Chuofa (Blót, Sumbel)

Die Alemannen verehrten ihre Götter nicht in Tempeln, sondern in Hainen unter freiem Himmel: Sie feierten ihre heiligen Feste auf Hügeln, an Quellen und Wasserfällen. Bei einem solchen Pluoz wurden ihnen zu Ehren Tiere geschlachtet.

Agathias (536 – 582 n. Chr.), ein oströmischer Historiker schrieb über die Alemannen: „...verehrten sie doch irgendwelche Bäume und Flüsse, Hügel und Klüften, und für diese schneiden sie, als wären es heilige Handlungen, Pferden und Rindern und Mengen anderen Tieren die Köpfe ab und verehren sie wie Götter.“


Bild: Heilige Plätze. 1500 Jahre alte Eiche. Foto Mark Requidan

Bier spielte bei den Opfern eine grosse Rolle: Man versammelte sich um eine grosse Chuofa (Kufe/Fass) voller Bier, um den Göttern zu opfern und ihnen zuzutrinken. Auf Opfer und Festmahl folgte das rituelle Trinken, bei dem das Horn auf die Götter, die Ahnen und die eigenen Heldentaten gehoben wurde - ein Brauch, der in manchen Zünften und Bruderschaften auch in christlicher Zeit fortlebte.

Viele Riten und Mythen unserer heidnischen Vorfahren werden für immer im Dunkeln verborgen bleiben. Doch die sorgfältige Beschäftigung mit den vorhandenen Quellen erlaubt uns doch, uns ein Bild des alten Alemannischen Heidentums zu machen.


Verfasser: Frowin

Quellen

Arnulf Krause:
Reclams Lexikon der germanischen Mythologie und Heldensage, Reclam
Die Geschichte der Germanen, Campus

Karin Krapp:
Die Alamannen. Krieger – Siedler – frühe Christen, Theiss

Dr. Eugen Mock:
Germanische Religionsgeschichte und Mythologie, Bohmeier Verlag

Christian Rätsch:
Der heilige Hain. Germanische Zauberpflanzen, heilige Bäume und schamanische Rituale, AT Verlag

GeoEpoche 2008 Nr 34:
Die Germanen

Internet:
http://de.wikipedia.org/wiki/Freya#cite_note-Simek_109-1
http://www.asatru.ch/goetter